Training oder Ernährung: Was ist wichtiger? - Johannes Kwella

Training oder Ernährung: Was ist wichtiger?

Jetzt machen wir die nächste Büchse der Pandora auf! In einem meiner früheren Artikel habe ich sehr ausführlich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Vor- und Nachteile von Kettlebell, Bodyweight und Langhantel Training beschrieben. 

Doch selbst nach dieser ellenlangen Ausführung konnte ich die Frage, die allen unter den Fingernägeln brennt nicht beantworten: “Was ist eigentlich besser?” Diese Frage lässt sich nicht beantworten. 

Zu diesem Thema führen Tausende “Experten” hitzige Diskussionen und kommen doch auf keinen gemeinsamen Nenner. Die Frage, die ich in diesem Artikel angehen möchte, löst jedoch keine hitzigen Diskussionen, sondern richtige Holywars aus. 

Du hast es schon im Titel gelesen: “Was ist wichtiger, Ernährung oder Training?”. Stell diese Frage 100 Fitness Fanatikern und ein 50/50-Ergebnis ist sehr wahrscheinlich. 

Die Überzeugungen reichen von “90 Prozent des Trainingserfolgs macht die richtige Ernährung” bis hin zu “Wenn du Hardcore Gewichte stemmst, dann kannste schlingen, was du willst”. Interessant ist, dass beide Aussagen stimmen – sofern du noch nicht lange trainierst und relativ moderate Fitness Ziele verfolgst. 

Stell dir vor, wir würden dieselbe Diskussion über Autos führen. Was ist besser – Vorderradantrieb, oder Hinterradantrieb? Beides ist okay, aber nur, solange du festen, trockenen Asphalt unter dir hast. Wenn du dann im Matsch liegen bleibst, dann sind beide Optionen eine miese Wahl. doch der Allradantrieb bringt dich weiter nach vorne. 

Wenn du konsequent und intensiv an deiner Fitness arbeitest, dann kommst du nach 12-18 Monaten vom Asphalt ins unbefestigte Gelände der High Performance und der Matsch, in dem du liegen bleibst, ist das Plateau, das deine weitere Entwicklung bremst. 

Lasst uns doch anhand der zwei beliebtesten Fitness Ziele, Fettabbau und Muskelaufbau analysieren, wie das Ganze zusammenhängt und warum die Ernährung UND das Training zugleich wichtig sind.

Inhaltsverzeichnis

Fettabbau

Gehen wir kurz noch einmal die Basics durch: Du verlierst Gewicht, wenn du weniger Kalorien zu dir nimmst, als du verbrennst. 

Die Kalorienaufnahme kommen offensichtlich aus der aufgenommenen Nahrung, die du bewusst qualitativ und quantitativ steuern kannst. Der Kalorienverbrauch ergibt sich aus dem Grundumsatz (Atmung, Verdauung, Blutzirkulation, Wärmeproduktion, und so weiter) und deiner physischen Aktivität, sprich Training und Bewegung.

Wenn dieses Grundverständnis ausreichend wäre, um das eigene Gewicht, oder Körperfettanteil zu steuern, dann gäbe es keine Millionen Menschen, die mit Übergewicht zu kämpfen haben. Also muss es noch etwas geben, das zwischen der Absicht des Kaloriendefizits und dem eigentlichen Kaloriendefizit steht.

Auch hier haben wir schon lange herausgefunden, wo der Haken ist. Da wäre noch dein Hormonhaushalt, das vom Geschlecht, der Lebenssituation, Stressbelastung und von der Art und Menge der aufgenommenen Kalorien beeinflusst wird. 

Dann wäre da noch dein Unterbewusstsein, das diverse Gewohnheiten, Überzeugungen, Zwänge und Routinen steuert und selbst über die Empfindungen und Zustände des Körpers gesteuert wird, die wiederum durch den Hormonhaushalt beeinflusst werden.

Die Fettabbau-Strategie “Hartes-Training-Keine-Ernährungsumstellung”. 

Du hast dich entschieden, einfach die überschüssigen Pfunde abzutrainieren. Du hast keine Lust irgendwas an deiner Ernährung zu verändern.

Dein Hormonhaushalt bleibt relativ stabil. Dein Unterbewusstsein hasst Veränderungen und ist daher ebenfalls glücklich. Du isst so, wie du es gewohnt bist.

Jetzt trainierst du auch regelmäßig. Vielleicht schwingst du alle zwei Tage die Kettlebell und gehst auch mal joggen. Du verbrauchst nun mehr Kalorien täglich, als früher und dein Gewicht fällt. 

Das erste “Problemchen” ist, dass bei dieser Strategie oft die Gewohnheit der Belohnung nach dem Training hinzu kommt. Du warst 45 Minuten joggen und hast 500 Kalorien verbrannt? Da ist es doch nicht schlimm, wenn man sich hinter was gönnt, oder?

Anpassung der Essensgewohnheiten an Aktivität

Okay, mal angenommen, du bist diszipliniert und belohnst dich nicht für das Training (weil Training an sich schon eine Belohnung ist). Dann haben wir dennoch ein weiteres Problem, das etwas unterschwelliger liegt. 

Nehmen wir an, du bist ein 1,80 Meter großer, 110 Kilo schwerer Kerl und willst 15 Kilo abspecken. Du trainierst fleißig und die Pfunde purzeln.

Mit deinen 110 Kilo hast du einen gesunden Grundumsatz von etwa 2270 Kalorien, zumindest, wenn man einem Grundumsatz-Online-Rechner traut. Nachdem du abgespeckt hast, hast du einen Grundumsatz von etwa 2060 Kalorien – 210 Kalorien weniger, als zuvor. 

Du hast dein Ziel erreicht und nimmst es nicht mehr so ernst mit dem Sport. Deine Essensgewohnheiten sind weiterhin gleich geblieben. Du ernährst dich immer noch so, als wärst du 110 Kilo schwer – und packst täglich genau die 210 Kalorien auf die Hüften. Das macht dann in einem Jahr etwa 10 Kilo Fettgewebe aus und du bist wieder fast beim alten Gewicht. 

Wenn dir das Szenario unwahrscheinlich erscheint, dann schau dir Athleten an, die in ihrer aktiven Phase sehr viele Kalorien im Training verbrauchten. Maradona, Shaquile O’Neal, O.J. Simpson, Michael Jordan, Mike Tyson, Magic Johnson – sie alle haben nach Karriereende massiv an Gewicht zugelegt. 

In der NFL ist ist diese Entwicklung sehr verbreitet, denn ein NFL Spieler verbrennt pro Spiel etwa 1700 Kalorien. J.J. Watts von den Houston Texans gibt selbst an, dass er etwa 9000 Kalorien täglich vertilgt. Über Jahre geht diese Ernährungsweise in die Gewohnheit über und wenn das tägliche, harte Training dann mal wegfällt…

Die Strategie “Ernährungsumstellung-Kein-Training”

Mal angenommen du willst abnehmen und stellst dafür deine Ernährung um, so dass du weniger Kalorien aufnimmst. Du hast aber gar keine Lust, oder Zeit um Sport zu treiben. 

Dein Körper ist nicht doof. Der menschliche Organismus ist eine brutal effiziente Überlebensmaschine, die über Milliarden von Jahren durch Mutation und Selektion gelernt hat, auf alle Veränderungen mit entsprechender Anpassung zu reagieren, um den Fortbestand zu sichern. 

Wenn du also deine Kalorien einschränkst, dann reagiert der Körper relativ zügig darauf, indem er den Grundumsatz ebenfalls nach unten anpasst. Dein Körper produziert weniger Wärme, das Herz schlägt langsamer, das Nervensystem fährt die Aktivität herunter, so dass du weniger unwillkürliche Bewegungen ausführst und dich weniger stark konzentrieren kannst. Diese Auswirkungen werden oft subjektiv nahezu nicht wahrgenommen, doch hunderte Studien haben sie ausführlich nachgewiesen und die Forschung beschäftigt sich aktuell mit der Frage, welche Faktoren sich wie stark auf die Veränderungen des Grundumsatzes auswirken.

Stress – Akut & Chronisch

Es gibt nur einen Zustand, in dem der Körper den Grundumsatz nicht herunterfährt, oder sogar steigert – akuter Stress. Das krasseste Beispiel wäre eine akute Lebensbedrohung, wie ein Angriff, Verletzung, Unfall, oder eine Katastrophe. In diesen Fällen schüttet der Körper massive Mengen Adrenalin aus. Adrenalin signalisiert dem Körper, dass jetzt der schlechteste Zeitpunkt ist, um Energie zu sparen. Die Leber pumpt Glukose ins Blut, die Herzfrequenz steigt, die Körperwärme schießt in die Höhe, das Gehirn arbeitet so schnell, dass die kognitiven Prozesse wie in Zeitlupe ablaufen.

Ein etwas weniger heftiger Zustand wäre das Fasten. In den ersten 24-36 Stunden fährt der Körper den Grundumsatz zurück, weil er hofft, dass demnächst Kalorien reinkommen. Falls das nicht geschieht, dann schaltet der Körper durch den Stress in einen Zustand aktiver Nahrungssuche. Vor Hunderttausend Jahren hätte das bedeutet, dass das Areal, in dem sich dein Stamm aktuell befindet “leer gefressen” ist. Es gibt keine Tiere, kein Früchte und keine weiteren Kalorienquellen. Man musste aufbrechen und neue Nahrungsquellen finden. Dafür liefert dir der Körper jede Menge Energie und einen hohen Grundumsatz. Ausgelöst wird das durch die Ausschüttung von Noradrenalin durch deine Nebennierenrinde.

Chronischen Stress vermeiden

Zurück zu deiner eigenen Strategie: Du willst weniger essen, aber nicht trainieren. Du wirst in der heutigen Welt nicht unbedingt einem Tiger im Busch begegnen und du möchtest ja deine Ernährung umstellen und nicht fasten. Dein Körper wird jedoch den Grundumsatz zurückfahren, wenn du ihn nicht akut stresst. Und genau das machst du durch das Training. Hier kommt ein großes Aber: Der Körper reagiert mit einer Steigerung des Grundumsatzes und höherer Energieausgabe auf akuten Stress und, genau umgekehrt, mit einer Senkung des Grundumsatzes und niedriger Energieausgabe auf chronischen Stress. Wenn du jeden Tag um dein Leben fürchten musst, wenn du lange Fastenphasen durchführst, oder wenn du ständig trainierst – das ist chronischer, permanenter Stress für den Körper, auf den er weniger mit Adrenalin und mehr mit Cortisol reagiert.

Die akuten Stressphasen geben dir Energie. Sie lassen dich “das Leben spüren”, dich lebendig fühlen. Damit die akuten Stressphasen nicht zu einer chronischen Stressphase verschmelzen, musst du deinem Körper eine ordentliche Erholung geben. Geh feiern (im Rahmen der Corona-Beschränkungen natürlich!), triff dich mit Freunden, mach Urlaub (zumindest, sobald die Pandemie nachgelassen hat) und vor allem – schlafe viel und schlafe gut (so gut du eben kannst #kindersindsotoll #indernacht #schreiend)! Eine erhöhte Kalorienzufuhr ist ebenfalls ein Stressdämpfer und genau aus diesem Grund sind Cheat Days, oder Cheat Meals so beliebt. Genau deswegen gibt es auch die klassischen Stressesser, die mehr Essen in sich reinschaufeln, wenn die Lebensprojekte stressiger werden (so wie ich früher).

Fazit

Was ist nun wichtiger? Ernährung oder Training? Beides natürlich. Es ist wichtig, dass du deine tägliche und wöchentliche Kalorienzufuhr im Auge behältst. Es ist aber vielleicht noch viel wichtiger, dass du deinen Stresslevel im Auge behältst und aktiv steuerst. Zu viel Stress fährt deinen Grundumsatz herunter und deinen Hunger hoch. Zu wenig Stress hindert deinen Grundumsatz nicht am Herunterfahren, wenn du deine Kalorien einschränkst. Akuter Stress ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, vorausgesetzt, dass er “akut” bleibt.

Kleine Ankündigung: Schon bald kommt das neue “Full Fat Loss Framework” Programm raus, in dem wir ausführlich über alle Themen rund um langfristigen Gewichtsverlust und Stressmanagement sprechen!

#strongerisbetter

2 Kommentare zu „Training oder Ernährung: Was ist wichtiger?“

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